Für den erfolgreichen Einsatz intelligenter IT-basierter Assistenzsysteme zur Gestaltung altersgerechter Lebenswelten müssen eine Vielzahl technischer Herausforderungen gelöst werden. Gleichzei-
tig müssen ökonomische Aspekte und Fragen der Nutzerakzeptanz ebenso konsequent berücksichtigt werden wie die Frage welchen Bedarf Nutzer haben und wie sich die Systeme in medizinische und pflegerische Versorgungsstrukturen einbetten lassen.
Anhand von drei konkreten Anwendungsszenarien werden assistierende Technologien zur Gestaltung altersgerechter Lebenswelten entwickelt.
Dies sind: Persönlicher Haushalts- und Aktivitätsassistent: Ziel ist ein elektronisches Assistenzsystem für die alltägliche Haushalts- und Aktivitätsplanung. Diese Komponente setzt bereits im „jungen“ Alter an und soll potenzielle Nutzer an assistierende Gesundheitstechnologien heranführen.
Sensorgestützte Aktivitätserkennung: Anhand bereits vorhandener oder unauffällig in der Wohnung installierter Sensoren werden die Aktivitäten des Bewohners erfasst, um vor gefährlichen Situationen, zum Beispiel vor einer versehentlich angelassenen Herdplatte, zu warnen. Darüber hinaus können schleichende Veränderungen und Funktionsverluste im Tagesablauf erkannt werden, damit Angehörige oder Pflegedienste rechtzeitig eingreifen können.
Sensorgestützte Sturzprävention und -erkennung: Ziel ist die Entwicklung eines Systems für eine technisch stabile Sturzerkennung, das Sturzereignisse automatisch erkennen kann und daher ohne manuelle Interaktion durch den älteren Menschen auskommt. Zu-dem werden technisch messbare, mobilitätsrelevante Parameter
analysiert und entwickelt.
Die Szenarien werden auf einer nachrüstbaren und erweiterbaren technischen Plattform integriert. Zur Verwaltung der Gesundheitsdaten wird eine persönliche Elektronische Gesundheitsakte entwickelt. Die Integration des häuslichen Umfelds in neue Versorgungsprozesse und die daraus resultierenden Veränderungen in der Versorgungslandschaft sind Bestandteil der Begleitforschung. Darüber hinaus greift der Forschungsverbund gesellschaftliche und psychologische Voraussetzungen und Konsequenzen auf. Institutionen übergreifende Arbeitskreise bearbeiten die Themen „Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung“ sowie „Klinische Geriatrie“.
Mit dem von OFFIS koordinierten und mit Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur im Rahmen des Niedersächsischen Vorab finanzierten Forschungsverbundes hat sich eine landesweite und interdisziplinär aufgestellte Forschergruppe aus Geriatrie, Gerontologie, Hörtechnik, Informatik, Ingenieurwissenschaften, Medizin, Ökonomie, Pflegewissenschaft, Psychologie, Soziologie und Rehabilitationspädagogik konstituiert. Im Jahr 2011 wurde der Forschungsverbund um weitere zwei Jahre verlängert. Schwerpunkt der Forschungsarbeit in diesen Jahren ist neben der technischen Weiterentwicklung vor allem die Erprobung unter realen Bedingungen im Feld. Projektpartner sind neben OFFIS die Technische Universität Braunschweig, die Medizinische Hochschule Hanno-ver, die Universität Oldenburg, das Kompetenzzentrum HörTech, das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie in Oldenburg, die Universität Vechta, die Universität Osnabrück, die Charité Berlin, die Universität Jena sowie als klinisch-geriatrische Partner das St. Bonifatius Hospital Lingen/Ems, das Geriatrische Zentrum Oldenburg und das Städtische Klinikum Braunschweig.
GAL-TEILPROJEKT: PERSÖNLICHER AKTIVITÄTS- UND HAUSHALTSASSISTENT
Mit zunehmendem Alter lässt die Gedächtnisleistung nach: Wichtige Termine werden vergessen, Medikamente nicht genommen, Freunde und Verwandte werden „versetzt“, das Fenster bleibt offen – das Leben gerät aus den Fugen. Wenn aber die Organisation des Alltages nicht mehr ohne fremde Hilfe möglich ist, müssen Betroffene ein Stück ihrer Autonomie aufgeben.
Das Teilprojekt „Persönlicher Aktivitäts- und Haushaltsassistent“ unterstützt hier durch ein elektronisches Assistenzsystem, das ältere Menschen in ihrer häuslichen Umgebung an wichtige Aktivitäten und Termine erinnert. Der Assistent wird diskret in das häusliche Umfeld integriert: Er nutzt bestehende technische Mittel, wie etwa den Fernseher, die Stereoanlage oder auch das Licht in der Wohnung zur unaufdringlichen Erinnerung an bevorstehende Termine. Eine Lokalisierungsfunktion ermöglicht dabei, die Erinnerungen zielgerichtet dort zu präsentieren, wo sie benötigt werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der leichten und altersgerechten Bedienbarkeit, die auf die individuellen Bedürfnisse von Betroffenen eingeht. Dies gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit zurück und ermöglicht langfristig ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden.
GAL-TEILPROJEKT: DIE PERSÖNLICHE ELEKTRONISCHE GESUNDHEITSAKTE
Wer den Arzt wechseln oder einen Facharzt aufsuchen musste, oder wer vom Krankenhaus zurück zum Hausarzt kommt, kennt das Problem: Die eigenen medizinischen Daten stehen nicht zur Verfügung, die Weiterleitung dauert lange, und bereits durchgeführte Untersuchungen müssen noch einmal durchgeführt werden. Die persönliche Elektronische Gesundheitsakte (pEGA) bietet daher die Möglichkeit, die eigenen medizinischen Daten zuhause selber zu speichern, einzusehen und zu verwalten. Der Patient hat direkten Zugriff auf seine Gesundheits- und Krankengeschichte und kann – wenn gewünscht – diese Daten gezielt auch Dritten, z.B. seinen Ärzten, Pflegekräften oder Verwandten zur Verfügung stellen. So erhält der Patient mehr Kontrolle über seine Gesundheitsdaten. Er gewinnt ein umfassenderes Verständnis für seine Gesundheit und übernimmt mehr
Verantwortung für sich selbst. Das kommt seiner Gesundheit zugute!
Die in der pEGA gespeicherten Daten lassen sich auch für weitere Assistenzsysteme in der häuslichen Umgebung verwenden. So kann die pEGA mit der GAL-Plattform interagieren und so z. B. die Daten aus der Aktivitätsbestimmung nutzen. Außerdem erkennt die pEGA Notsituationen und kann automatisch einen Notruf absetzen. So wird die Sicherheit für den gefährdeten Menschen verbessert, Risiken werden minimiert.
GAL- TEILPROJEKT: AKTIVITÄTSBESTIMMUNG
Assistenzsysteme sollen Unterstützung anbieten, die in der jeweiligen Situation angemessen ist. Hierzu müssen diese Systeme die jeweilige Situation kennen. Die Aktivitätsbestimmung dient daher
dazu, komplexe Aktivitäten mit technischen Sensoren autonom zu erfassen und Abweichungen vom typischen Verhalten zu erkennen.
Unauffällig in die Wohnung integrierte Sensoren erfassen automatisch die täglich ausgeführten Aktivitäten, z.B. das Einschalten des Lichtes oder die Benutzung der Kaffeemaschine. Daraus werden Rückschlüsse auf komplexe Aktivitäten gezogen – etwa die Vorbereitung eines Frühstücks. Schleichende Änderungen oder Abweichungen werden erkannt und nach vordefinierten Regeln nach außen kommuniziert. Die erkannten Defizite können dann durch bedarfsgerechte Hilfsangebote ausgeglichen werden, so dass der Bewohner weiterhin sicher in seiner häuslichen Umgebung bleiben kann.